Bericht zum Prozess gegen Antifaschist_innen aus Rosenheim und Salzburg

Am Montag, den 30. November 2020, fand am Rosenheimer Amtsgericht ein Prozess gegen zwei junge Antifaschisten aus Salzburg und Rosenheim statt.

Dabei ging es um angebliche Straftaten im Rahmen der entschlossenen und wütenden Demonstration am 15.12.2018 gegen die Eröffnung des AfD-Büros im Rosenheimer Stadtteil Erlenau. Bis zu 250 Menschen gingen damals gegen Rassismus und Antisemitismus auf die Straße (siehe: https://noafdrosenheim.noblogs.org/post/2018/12/15/entschlossene-demonst…).

Am Ende der Demo kam es zu massiver Polizeigewalt, nachdem ein Teil der Demo ca. fünf Meter von der angemeldeten Route abgewichen war, um mittels Konfetti und Parolen direkt vor dem neuen Büro der RassistInnen antifaschistische Präsenz zu zeigen. Nachdem sich die damals versammelten SympathisantInnen der AfD panisch in ihrem Büro verschanzten und versuchten, die Situation draußen zu filmen, griff die Polizei die Antifaschist_innen brutal mit Schlagstöcken an und verletzte einige junge Aktivist_innen (siehe: https://noafdrosenheim.noblogs.org/post/2018/12/16/kritik-an-polizeigewalt/). Da sich einige Antifas allerdings nicht einfach wehrlos verprügeln ließen, sahen sich Polizei und Staatsanwaltschaft genötigt, selbst zwei Jahre nach der Aktion noch junge Antifaschisten aufgrund der Vorfälle vor Gericht zu zerren. Wie willkürlich die Repressionsbehörden dabei vorgehen, zeigt sich auch an insgesamt vier Hausdurchsuchungen im Nachgang der Demo gegen das AfD-Büro in der Erlenau, unter anderem gegen zwei Fotografen, sowie eine Person, welche sich am Tag der Demonstration im Ausland aufhielt.

Nun aber zum gestrigen Prozess:

Dem Genossen aus Salzburg wurde Landfriedensbruch und Vermummung vorgeworfen, während bei dem Rosenheimer Genossen zusätzlich noch der Vorwurf der „versuchten schweren Körperverletzung“ sowie ein angeblicher „tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte“ und „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ im Raum stand.
Verhandelt wurde das ganze vor einem Jugendgericht. Für den Genossen aus Salzburg konnte von einem solidarischen Anwalt aufgrund der dünnen Beweislage relativ schnell eine Einstellung der Verfahren gegen eine überschaubare Arbeitsauflage erwirkt werden.

Das Verfahren gegen den Rosenheimer Genossen zog sich allerdings länger. Ein Bulle, der schon am Tag der Demonstration selbst durch unausstehliches Mackergehabe sowie das Einschlagen auf junge Menschen mit einem Teleskopschlagstock aufgefallen ist, sagte aus, mittels einer Fahnenstange im Gesicht verletzt worden zu sein und beschuldigte den angeklagten Genossen. Nach der Sichtung von einigen Videos, sowie einer erneuten Befragung des Zeugen verstrickte sich dieser allerdings in Widersprüchen und verlor an Glaubwürdigkeit. Als durch Nachfragen des Anwalts des Betroffenen auch noch Absprachen zwischen dem Rosenheimer Staatsschutz und dem Polizeizeugen deutlich wurden, verlor der Mackercop im Gericht so sehr die Fassung, dass sogar der Richter merkte, wie sehr er sich durch die Nachfragen des Anwalts persönlich angegriffen fühlte, was seine Glaubwürdigkeit weiter untergrub. Dadurch und – zu unserer Belustigung – durch ein von der AfD gefilmtes Video sowie durch die im Rahmen einer Hausdurchsuchung sichergestellten Fotos, konnte der Betroffene von den Vorwürfen der schweren Körperverletzung sowie des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte entlastet werden. Das Gericht folgte allerdings trotzdem der haarsträubenden Erzählung von Bullen und Staatsanwaltschaft von einem angeblichen „Sturm auf das AfD-Büro“ zumindest soweit, ein geringfügiges Abweichen von der angemeldeten Demoroute als „Landfriedensbruch“ und ein Gezerre um ein Transparent als „Widerstand“ zu verurteilen. Da der Prozess vor einem Jugendgericht stattfand, konnte durch den Anwalt des Betroffenen allerdings auch hier eine überschaubare Anzahl von Sozialstunden herausgehandelt werden.

Auch wenn die Prozesse insgesamt eine Farce sind und der relativ glimpfliche Ausgang unserer Wut auf die Kriminalisierung von antifaschistischem Widerstand keinen Abbruch tut, kann der Prozesstag aus unserer Perspektive insbesondere angesichts der Schwere der Vorwürfe als relativer Erfolg gewertet werden, da die Bullen und die Staatsanwaltschaft es trotz ziemlich offensichtlich abgesprochener Aussagen bei den Cops nicht geschafft haben, drakonische Strafen gegen junge Antifaschist_innen zu erwirken.

Während des Prozesses versammelten sich vor dem Amtsgericht ca. 25 Antifaschist_innen, um sich solidarisch mit den angeklagten Genossen zu zeigen. Schikanen gegen die Teilnehmer_innen durch die Rosenheimer Bullen erstreckten sich über die komplette Dauer der Kundgebung.
Während sich Verschwörungsideolog_innen regelmäßig ohne Abstand und Masken versammeln dürfen, zeigten die Bullen deutlich, dass ihre höchste Priorität die Kriminalisierung von antifaschistischem Protest ist und nahmen die Personalien von zwei Personen auf, weil diese mit ausreichendem Abstand zu anderen Personen ihre MNS zum Rauchen abgenommen hatten. Als es sich einige Antifas nicht nehmen lassen wollten, ihre Solidarität mit den Angeklagten, in Sichtweite des Gerichtssaales zu zeigen, nahmen die Polizist_innen dies zum Anlass, die Personalien der Antifaschist_innen aufzunehmen. Auf den Versuch, eine Kundgebung in Hör- und Sichtweite des Gerichtssaales anzumelden, in dem die Verhandlung stattgefunden hat, reagierten die Cops aggressiv und erstatteten eine Anzeige gegen die anmeldende Person. Außerdem drohten sie mit der Ingewahrsamnahme aller Teilnehmer_innen der Kundgebung, falls ihre Auflagen nicht eingehalten werden sollten. Personen welche sich außerhalb der Kundgebungsfläche mit MNS geschützt und einem Abstand von 1,5 m aufgehalten hatten, wurden mit willkürlichen Platzverweisen belegt, da sie gegen die „2-Haushalte-Regel“ des Infektionsschutzgesetzes verstoßen hätten.

Ob die lächerlichen Beißreflex-Maßnahmen der Bullen mit der Entwicklung des Prozesses und dem „eher mäßigen“ Auftritt ihres „Kumpels“ im Inneren des Gebäudes zusammenhingen, lässt sich selbstverständlich nicht abschließend beantworten. Aus der Masse heraus stach der Hauptkomissar Robert Maurer, der sich offensichtlich stark in seiner Autorität untergraben sah, da ihm die versammelten Antifaschist_innen nicht den Gefallen taten, bedingungslosen Gehorsam zu leisten, was dieser mit aggressiven und willkürlichen Maßnahmen quittierte.

An dieser Stelle vielen Dank an die vielen solidarischen Unterstützer_innen, die den ganzen Tag vor Gericht ausgeharrt haben, um die Betroffenen zu supporten und dafür teils aus anderen Städten angereist sind und sich weiteren Schikanen der Bullen aussetzen mussten! Und vielen Dank noch einmal an die Rosenheimer AfD, ohne deren Video der ganze Prozess wahrscheinlich nicht so gut für uns gelaufen wäre.

Wir werden es uns auch weiterhin nicht nehmen lassen, antifaschistischen Widerstand gegen den Rechtsruck und die immer weiter fortschreitende autoritäre Formierung der Gesellschaft zu organisieren. Und wir werden uns auch weiterhin von dem Hass der Rosenheimer Bullen sowie der Staatsanwaltschaft Traunstein auf linke und emanzipatorische Kämpfe nicht einschüchtern lassen, sondern einen kollektiven und solidarischen Umgang mit der Repression finden.

United we stand!

via Indymedia